Kettcar live in Hamburg 2024

Kettcar live Hamburg 2024 Sporthalle by Niko Schmuck Sounds & Books

„War viel Schönes dabei“: Das Kettcar-Heimspiel-Konzert in Hamburg gerät zu einem Großereignis

Text von Gérard Otremba, Fotos von Niko Schmuck

Und plötzlich Nummer 1. Vielleicht gar nicht so überraschend, dass Kettcar mit dem Anfang April veröffentlichten und von uns rezensierten Album „Gute Laune ungerecht verteilt“ die Spitze der deutschen Charts erklommen haben. Schließlich waren sie mit ihren Platten 2-5, also von „Von Spatzen und Tauben, Dächern und Händen“ (2005) bis „Ich vs. Wir“ (2017) jeweils in den Top-5 vertreten. Aber auf jeden Fall ein schöner Erfolg für die Hamburger Indie-Rock-Pop-Band, die ihm Rahmen ihrer Tour zum aktuellen Album am 27.04.2024 in der ausverkauften und proppenvollen Alsterdorfer Sporthalle gastierte. Es war das mit 7000 Besuchern bisher größte Konzert in der nunmehr über 20-jährigen Kettcar-Karriere.

Christin Nichols als Kettcar-Support

Der Abend ging schon mit Christin Nichols als Support gut los, die im März ihr zweites Album „Rette sich, wer kann!“ herausgebracht hat und die wir mit „Direct Fly To Seattle“ als Song des Tages im Programm hatten. Dieses Lied stand zwar nicht auf der Setlist, aber andere wie „Totgelacht“, „Fame“, „Sieben Euro Vier“ und „In Ordnung“. Mit ihrer vierköpfigen Band brachte sie Post-Punk, NDW und Indie-Rock zusammen, der perfekt pulsierende Rahmen für ihre zeitgenössischen- und kritischen Texte.

Reiner Bustorff möchte keinen „Nostalgiescheiß“

„Wir sind Kettcar und das ist ‚Benzin und Kartoffelchips‘“. Kurz und prägnant waren die einleitenden Worte von Sänger, Songwriter und Gitarrist Marcus Wiebusch nach dem Opener „Auch für mich 6. Stunde“. Im Verlauf des Abends holte er indes dann doch etwas weiter aus und begleitete einige Lieder in Form einer nostalgischen Zeitreise. Fand Bassist und zweiter Geschichtenerzähler Reimer Bustorff jetzt nicht ganz so toll, diesen „Nostalgiescheiß“. Er möchte ja lieber nach vorne schauen, konnte sich aber eine ältere und witzige Anekdote aus seiner Zeit als Paketzusteller nicht verkneifen. Die aber natürlich als Warm-up für den Song „Doug & Florence“ diente, in dem den Paketzustellern (und Pflegerinnen) dieser Welt gehuldigt wird.

Reimer Bustorffs Mutter

Eine große Rolle nahm an diesem Abend auch Bustorffs Mutter ein. Offensichtlich die größte Kritikerin der Band ihres Sohnes, die Marcus Wiebusch als Verräter des Punk bezeichnet und die sich zum ersten, doch sehr lauten Song des neuen Albums, „München“, äußern sollte. „Ich habe dich nicht für den ganzen romantischen Quatsch erzogen. Ihr sollt Sand im Getriebe der Welt sein“, habe sie anerkennend sowie Zigarre rauchend über „München“ gesagt und  etwaige Bedenken der Band (zu der noch Keyboarder Lars Wiebusch, Gitarrist Erik Langer sowie Schlagzeuger Christian Hake gehören), ob sie dieses Lied aufnehmen könnten, endgültig getilgt. Ja zum Humanismus, nein zu Rassismus lautet nach wie vor die simple und für manche noch immer so schwierig zu verstehende Kettcar-Botschaft, die sich in Songs wie „Sommer ´89 (Er schnitt Löcher in den Zaun)“, „Der Tag wird kommen (aus dem Wiebusch-Solo-Album „Konfetti“) und eben „München“ manifestierte.

Hamburg singt bei vielen Kettcar-Hits

Das fast zweistündige, vom NDR aufgezeichnete Kettcar-Heimspiel-Konzert ließ kaum Wünsche offen. „Hamburg will singen“ meinte Marcus Wiebusch vor „Balkon gegenüber“. Und Hamburg hat gesungen. Bei „Balkon gegenüber“, bei „Notiz an mich selbst“ (extra laut für einen ungläubigen NDR-Redakteur) und natürlich bei „Landungsbrücken raus“ (und bei „Balu“ und bei „Im Taxi weinen“ und „Trostbrücke Süd“ – der Song mit der immer noch sensationellen Zeile „Wenn du das Radio ausmachst, wird die Scheißmusik auch nicht besser“ – und vielen anderen Liedern). Nach „Deiche“ war dann aber auch Schluss mit der Kettcar-Herrlichkeit, die das Abschlusskonzert der dreiwöchigen Frühjahrstour zu einem Großereignis werden ließen. „War viel Schönes dabei“ hieß Wiebuschs Fazit, das man voll und ganz bestätigen kann. Gerne bald wieder.  

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